Mechthild Ludwig, Alfred Scherer
Der Megatrend der Globalisierung verändert Arbeits- und Lebenswelten, führt aber auch zu einer erstaunlichen Suche nach Identität. Familie und Heimat erhalten eine neue Bedeutung. Von dieser
Entwicklung profitieren Ehemaligenvereine von Schulen und verlieren ihr bisweilen angestaubtes Image, wenn sie sich stärker auf die Bedürfnisse der jungen Ehemaligen einstellen. Auch die alten
Ehemaligen haben ihr Verständnis verändert, indem neben die Erinnerungskultur aktive Unterstützung von Schule und Schülern tritt.
Seit jeher gehört zu den Aufgaben des Vereins der Ehemaligen des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums die Herausgabe eines Nachrichtenblatts, die Durchführung von Treffen der Abiturjahrgänge und die
finanzielle Unterstützung von schulischen Aktivitäten.
Das zwei Mal im Jahr erscheinende Nachrichtenblatt hat seit seiner Nr. 1 im Jahr 1928 inhaltlich und formal eine Reihe von Änderungen erfahren. Auf großes lnteresse stießen die über viele Jahre veröffentlichten Aufsatzthemen des Abiturs, ein Spiegelbild der Zeit, ebenso wie die Fotos von Abiturklassen. Unvergessen bleibt die offen kontrovers diskutierte Frage, ob - ohne Einwilligung der Betroffenen - Fotoaufnahmen nach 40 Jahren veröffentlicht werden dürfen, auf denen Abiturienten sich in Nazi-Uniform zeigen. Derzeit enthält das Nachrichtenblatt nicht nur aktuelle Berichte von der Schule und die Präsentation der Jubiläumsjahrgänge, sondern auch berufs- und erlebnisbezogene Beiträge von ehemaligen Schülern mit interessanten Biografien, während früher bekannte Schüler erst in Nachrufen vorgestellt wurden. Das Nachrichtenblatt widmet sich heute somit weniger der Vergangenheit als der Gegenwart, so dass Ehemalige für Schule und Schüler interessanter werden.
Das Kontinuum der Treffen der Jubiläumsjahrgänge ist nach wie vor der Einblick in die eigenen Abiturarbeiten. Übrigens eine Dienstleistung unserer Schule, die nicht häufig anderswo anzutreffen ist.
Das Tagesprogramm bietet geführte Besichtigungen von kulturellen Einrichtungen und neuen städtebaulichen Entwicklungen Triers an. Den Abschluss bildet traditionell eine Weinprobe mit FWG-Weinen, die Raum für Kommunikation zwischen den Ehemaligen lässt. Im Rahmen unseres Alumni-Projektes laden wir zu den Jahrgangstreffen zusätzlich zwei weitere Klassen ein, die vor fünf und 20 Jahren ihr Abitur bestanden haben und die sich nicht nur über ihre persönliche Entwicklung, sondern auch über Studium, Berufseinstieg und Beruf austauschen und Kontakte mit anderen Ehemaligen knüpfen. Mittlerweile nehmen mit sieben Jubiläumsjahrgängen über 180 Ehemalige an den Treffen teil, die regelmäßig im Mai oder Juni eines Jahres stattfinden.
Die Säkularisierung hat auch vor den Ehemaligen nicht haltgemacht. Die Beteiligung am ökumenischen Gottesdienst in der Jesuitenkirche, mit dem wir die Treffen starten, hat deutlich nachgelassen;
trotzdem kommt es hin und wieder vor, dass der Gesang der Kirchenlieder den gesamten Kirchenraum füllt. Das nach dem Gottesdienst stattfindende Totengedenken am Ehrenmal hat insofern eine Veränderung
erfahren, als nicht mehr allein der Gefallenen der beiden Weltkriege gedacht wird, sondern allgemein der verstorbenen Schüler, Ehemaligen und Lehrer.
Grundlage unserer Arbeit ist der schon in der Satzung des Gründungsjahres 1928 beschriebene und immer noch gültige Zweck des Vereins: „die Beziehungen der früheren Schülerinnen und Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer untereinander und zum Gymnasium zu pflegen“, die Belange des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums, insbesondere seine Bestrebungen als Pflegestätte humanistischer Bildung sowie die Belange seiner Schülerinnen und Schüler zu fördern.
Die Gründung des Vereins
Im Jahr 1926 wurde der erste Versuch unternommen, einen Verein der ehemaligen Schüler und Lehrer des FWG zu gründen. Von wem der Anstoß dazu ausging, ist unbekannt. Ein vorbereitender Ausschuss
veröffentlichte u. a. in der Trierer Lokalpresse einen Aufruf. Das Echo war aber so gering, dass man das Vorhaben verschieben musste.
Am 30. Mai 1928 initiierte der damalige Leiter des FWG, Oberstudiendirektor Andreas Heim, beim Wiedersehenstreffen der Abiturienten des Jahres 1903, die sich in Trier zur Feier ihres silbernen
Abiturjubiläums versammelt hatten, die Gründung eines Vereins der ehemaligen Schüler und Lehrer des FWG. Die anwesenden Abiturjubilare griffen die ldee begeistert auf, bildeten sofort einen
einstweiligen Vorstand, der dann am 23. Juni 1928 zur ersten Sitzung zusammentrat. Es wurde beschlossen, einen neuen Aufruf an die ehemaligen Schüler zu verschicken, soweit eben Anschriften bekannt
waren.
Die Konstituierung des Vereins und die Festsetzung seiner Statuten sollten auf der für den 8. Oktober 1928 einzuberufenden Hauptversammlung erfolgen. Zu dieser ersten Hauptversammlung fanden sich im
„Goldenen Stern“ etwa 50 ehemalige Schüler und Lehrer ein. Der Verein wurde gegründet und die Satzung beschlossen.
ln den Vorstand wurden gewählt:
Als Beisitzer fungierten Oberstudiendirektor Andreas Heim, Studienrat Dr. Jakob Wickert und Kaufmann Gerhard Hartrath.
Der Versammlung konnte bereits die erste Ausgabe des Nachrichtenblatts vorgelegt werden. Aufgabe des Blatts sollte sein: den „Zusammenhalt der alten Schüler mit Schule, jetzigem Schülergeschlecht und untereinander herzustellen und zum Ruhm und Nutzen der ehrwürdigen Anstalt beizutragen“. Es sollte „Erinnerungen der alten Schüler, Nachrufe auf Tote, Familiennachrichten der Lebenden, Berichte aus dem Leben der Schule“ bringen und dadurch „gleichsam ein geistiges Band um alle schlingen, die sich fühlen als Glieder einer Familie, einer Mutter, unserer alma mater Trevirensis“. So nachzulesen in der ersten Ausgabe des Nachrichtenblatts vom Oktober 1928.
Entwicklung und Auflösung des Vereins
Noch ehe eine planmäßige Werbearbeit einsetzen konnte, stieg die Zahl der Mitglieder des Vereins beachtlich: Am 8. Oktober 1928 waren bereits 148 Ehemalige beigetreten, bis zum Frühjahr 1929 schon
205, zum Jahresende 1929 immerhin 309, darunter als Nr. 222 der Vorsitzende der deutschen Zentrumspartei, Prälat Dr. Ludwig Kaas.
Von Anbeginn war es das erklärte Ziel des Vereins, den im Weltkrieg gefallenen Lehrern und Schülern ein würdiges Denkmal zu errichten. Ein erster Versuch scheiterte an der Platzfrage,
unbefriedigenden Entwürfen für das „würdige Denkmal“ und an den hohen Kosten. Eine Denkmalkommission mit den Herren Dr. Maret, Andreas Heim, Dr. Schreiner, Prof. Deuser und Provinzialbaurat Lischtken
nahm sich vor, einen neuen Plan der Architekten Brand und Mertes zu verwirklichen. Das Ehrenmal wurde errichtet zwischen zwei Stützpfeilern an der Quadrathofseite der Jesuitenkirche. Das
Priesterseminar gab die Erlaubnis zur Anlehnung an die Kirche. Am 28. Juni 1932 wurde das Ehrenmal in einer Feierstunde enthüllt und in Eigentum und Obhut des Gymnasiums übergeben. Es hält mit in
Bronze gegossenen Buchstaben die Namen von 68 gefallenen Lehrern und Schülern fest. Die Bezahlung der Kosten von 4000 Reichsmark bereitete dem Vorstand des Vereins erhebliche Sorgen.
Auf den verheißungsvollen Start des Vereins folgte bald - nicht zuletzt wegen der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse - eine Schwächeperiode. Zwischen 1928 und 1934 erschienen lediglich
acht Nachrichtenblätter mit bescheidenem Umfang von jeweils vier Seiten. Aufgrund der Nazi-Herrschaft und der „Ungunst der Zeit“ wurde der Verein 1934 aufgelöst.
Wiedergründung des Vereins 1950
Die Initiative zur Wiedergründung des Vereins ging aus von dem Abiturjahrgang 1924, als er im Juli 1949 zum silbernen Abiturjubiläum ein Wiedersehenstreffen veranstaltete. Diese Feier gab den Anstoß,
wieder alljährlich Wiedersehenstreffen der ehemaligen Schüler herbeizuführen. So kam es zu einem großen Fest vom 23. bis 25. Mai 1950 auf Betreiben dieses Abiturjahrgangs 1924 und insbesondere des
Verwaltungsgerichtsdirektors Heinrich Probst. Bei diesem Fest wurde der Verein offiziell wiedergegründet. Zum Vorsitzenden gewählt wurde Domkapitular Prälat Dr. lrsch, der aus gesundheitlichen
Gründen 1951 den Vorsitz an Oberstudiendirektor Dr. Joseph Schreiner abtrat. Auf die lnitiative des neuen Vorstandes hin erschien im September 1953 die erste Nummer des Nachrichtenblatts; die
Redaktion hatte Herr Schreiner übernommen. Es wurde zudem beschlossen, jährlich ein Wiedersehenstreffen, zu dem insbesondere die silbernen und goldenen Abiturjubilare eingeladen werden sollten, in
Zusammenarbeit mit dem Gymnasium zu veranstalten. Eine neue Vereinssatzung wurde in Anlehnung an die von 1928 beschlossen.
Die Mitgliederzahl stieg erfreulich rasch an: 1953 auf 318, 1954 auf 484 Mitglieder. Das Nachrichtenblatt des Vereins erschien regelmäßig, wenn auch mit geringem Umfang. lm Jahr 1960 übernahm die
Redaktion Josef Kintzinger, Lokalredakteur der Tageszeitung Trierischer Volksfreund. Das zeitaufwändige Ehrenamt als Redakteur für den Verein übte er 18 Jahre mit großem Engagement aus. 45 Nummern
des Nachrichtenblatts wurden von ihm herausgegeben. ln der Folgezeit wurde diese Redaktionsarbeit am Nachrichtenblatt von zwei Lehrpersonen, den Autoren dieses Artikels, kontinuierlich fortgeführt.
lm Mai 2011 ist die Ausgabe 111 erschienen.
Zwei wichtige Ereignisse sollten erwähnt werden: Am 29. April 1978 feierte der Verein seine Gründung vor 50 Jahren. Die Festrednerin in der Europahalle war Frau Kultusministerin Dr. Hanna-Renate
Laurien, und den Gottesdienst in der Jesuitenkirche zelebrierte Weihbischof Dr. Alfred Kleinermeilert. Rund 300 ehemalige Schülerinnen und Schüler und das Lehrerkollegium des FWG nahmen an diesem
Fest teil. Sein 75-jähriges Bestehen feierte der Verein im Hotel Ramada am 16. Mai 2003. Den Festvortrag hielt der damalige Chefredakteur von ARD-Aktuell, Dr. Bernhard Wabnitz, Abiturjahrgang 1973,
zum Thema „Politik und Medien“. Seine vergleichenden Ausführungen zur Anabasis und dem lrak-Krieg, vor allem
zur Meinungsmache von Xenophon und zur medialen Berichterstattung, waren beeindruckend und machten den Abend für die 400 Gäste unvergesslich.
Die äußeren Strukturen und lnstrumente der Vereinsarbeit wurden schon vor über 80 Jahren angelegt, die lnhalte dem Zeitgeist angepasst und aktualisiert. Ohne elektronische Datenverarbeitung wäre die
Verwaltung der mittlerweile über 1800 Mitglieder nicht mehr denkbar, ebenso wie die Herstellung des Nachrichtenblatts und dessen Versand.
Das Erfolgsrezept für dieses beschwerdefreie, stolze Alter
Es dürfte eine Mischung aus dem Engagement von beiden sein, der „Sender“ und der „Empfänger“. Auf der einen Seite steht das kontinuierliche Engagement der Mitglieder der jeweiligen Vorstände und
Beiräte, auf der anderen Seite die Verbundenheit sehr vieler ehemaliger Schüler, die die Angebote des Vereins gerne in Anspruch nehmen und darüber hinaus auch etwas zurückgeben, sei es als
Festredner, wie z. B. Oswald von Nell-Breuning seinerzeit anlässlich der Karl-Marx-Matinee, sei es in ihrer Bereitschaft, als alumna/alumnus tätig zu sein, sei es durch einen Artikel im
Nachrichtenblatt, sei es als Mitarbeiter bei der Erstellung dieser Festschrift.
Das Miteinander funktioniert! Die jährlichen Wiedersehenstreffen, die Jubiläumsfeiern des Vereins und vor allem das 2011 anstehende Schuljubiläum sind die Anlässe, die generationenübergreifend die
große Schulgemeinschaft zusammenführen. Und immer noch kann der schon in der ersten Satzung 1928 formulierte Vereinszweck verwirklicht werden, die Schule finanziell zu unterstützen. In jedem Jahr
vermag der Verein dies mit einem Betrag zwischen 3500 und 6000 Euro, je nach Kassenlage, zu tun. Damit ist das FWG in der sehr glücklichen Lage, trotz der schwierigen finanziellen Situation der
Schulträger, besondere Anschaffungswünsche realisieren zu können.
AD MULTOS ANNOS!